Karibu Kenya!
Eine unvergessliche Reise zu den Gemeinden der Missionshilfe Afrika
Schon als Jugendliche träumte ich von Afrika. Ich verschlang Reisebücher, Jungmädchenromane, die Kenia in ein strahlendes Licht voll von wilden Tieren und romantischen Sonnenuntergängen tauchte. Inzwischen bin ich mit 44 Jahren längst aus dieser romantischen Phase herausgewachsen und weiß sehr wohl, dass Afrika zwar ein wunderbarer Kontinent mit viel Geheimnisvollem und Überraschendem ist, doch auch mit endlosen Problemen wie Aids, bittere Armut, Bürgerkriegen, Elend und Hungersnöten behaftet ist.
Trotzdem oder gerade deswegen zog und zieht es mich dorthin. Afrika hatte und hat eine magische Anziehungskraft für mich. Ich verschlinge heute noch Biographien und Tatsachenberichte über diesen fernen Kontinent.
Doch so fern ist er ja gar nicht: acht Stunden Flug – und man ist in Ostafrika.
Irgendwann, irgendwann schaffe ich es, nach Kenia oder Tansania zu reisen, dachte ich mir. Nur wann? Als berufstätige Mutter von vier Kindern bleibt nicht viel Zeit und auch nicht viel Geld, um so einen Lebenstraum zu verwirklichen.
Doch dann las ich von der Aufwind-Freizeit mit Pastor Tony Esch in Kenia. Es war nur eine Seite in dem Reisekatalog der Freien Evangelischen Gemeinden (FeG) – doch das reichte aus, um mich nicht nur mehr träumen zu lassen, sondern mir meine Reise immer konkreter auszumalen. Mein Mann unterstützte mich in meinem Vorhaben, und so wagte ich es: ich buchte vierzehn Tage Kenya.
Reizvoll an dem Angebot war, dass die Reisegruppe nicht nur im Touristhotel ?hocken? musste, sondern ganz viel von Land und Leuten zu sehen bekam. Zu verdanken hatte unsere 15-köpfige Gruppe diesen kleine Einblick in das Leben der Kenyaner unserem Gruppenleiter Pastor Tony Esch, der seit 30 Jahren als Missionar, Entwicklungshelfer und Gemeindegründer in Kenya tätig ist. Von ihm erfuhren wir viel über die Situation im Land, besichtigten Gemeinden und durften so auch hinter die Kulissen schauen.
Wir haben so viel gesehen, wie man in 14 Tagen nur sehen kann. Die Reise war überwältigend, faszinierend, erschreckend. Die Eindrücke von bleibender Natur, emotional bewegend und so, dass mein Herz sich täglich zurück sehnt nach Kenia- und das durchaus nur nicht wegen der wilden Tiere, der roten Erde und den Sonnenuntergängen, oder dem Türkis des Indischen Ozeans, sondern hauptsächlich wegen der freundlichen Menschen, die uns so offen und gastfreundlich begegneten – meist mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Kenyaner zogen mich vom ersten Tag an in ihren Bann.
Ich gewann diese Menschen lieb – vom ersten Augenblick an, als wir früh morgens aus dem Flugzeug stiegen und uns die heiße Luft Mombasas entgegenschlug. Natürlich wusste ich, dass hier alle Menschen schwarz sind, aber trotzdem war es ein Einstieg in eine andere Welt. Überall hieß es „Mama“, die Männer wurden „rafiki“ (Freund) genannt. „Jambo“ ertönte es überall. Man begrüßt hier jeden freundlich. Manchmal sind die Kenyaner aber auch anhänglich, denn viele leben natürlich vom Tourismus und wollen dauernd etwas verkaufen. Besonders die so genannten „Strandboys“ am Hotelstrand waren anhänglich, Wer kann da schon „Nein“ sagen, wenn man Sprüche wie „Bitte Mama, nur zum Leben“ hört? Hier ein Holzelefant, dort ein buntes Tuch – man musste einfach etwas kaufen. Noch penetranter waren die Händler im moslemischen Viertel in Mombasa. Die liefen uns mit ihren Waren gleich drei Straßen hinterher. Da hilft nur „No“ und ein Stück Gelassenheit – und ab und zu mal eine Kleinigkeit kaufen, denn die Kenyaner wollen ja auch leben.
Tony Esch hatte gleich zehn Koffer voller Hilfsgüter für seine Gemeinden mit dabei. Diese verteilten wir geschickt auf einige Gruppenteilnehmer, so dass wir mit ein bisschen „Trinkgeld“ für den schmunzelnden Zollbeamten sicher durch die Kontrollen kamen.
Ein Kleinbus brachte uns ins Hotel Bahari Beach an Kenias Nordküste – nicht weit von Mombasa entfernt. Schon auf dem Weg dorthin wurden wir von Eindrücken überwältigt: überall elendige Hütten am Straßenrand, Frauen mit Lasten auf dem Kopf, die Männer mit schweren Lastkarren unterwegs, bizarres Verkehrschaos in Mombasas Innenstadt.
Unser Hotel unter Palmen und am Indischen Ozean ließ keine Wünsche offen. Die „Boys“ waren reizend und zuvorkommend, die Bedienung erstklassig. Da sollten sich viele deutsche Servicekräfte mal eine Scheibe abschneiden! Nichts zu bemängeln – alles perfekt. Vor jedem Essen sangen Köche und Kellner christliche Lieder, die aber kein Tourist als diese identifizierte. Tony amüsierte sich.
Doch der erste Tag auf afrikanischen Boden war noch lange nicht zu Ende. Tony nahm drei Frauen von uns mit zu einigen „Besorgungen“. Diese entpuppte sich als kleines Abenteuer, denn wir waren ja noch „Frischlinge“. In einem kleinen Dorf, dessen Namen ich leider vergessen habe, stiegen wir aus. Tony musste noch einiges für die Safari klären. Auf der Straße wurden wir von Händlern bedrängt. Tony war beschäftigt, und wir mussten uns zum ersten Mal selbst durchboxen. Das ging ganz gut in Englisch.
Wir gingen die kleine Dorfstraße hinunter und wurden von diversen Frauen und Männern verfolgt, die Fußpflege, einen Haarschnitt, Tücher und Lederwaren feilboten. Einige Prostituierte warteten auf Freier, Männer saßen wartend auf Bänken und telefonierten mit ihren Handys. Bizarrer Ort! Schließlich kam ein „Plastik-Masai“ auf uns zu: wir schossen ein Foto. Plastik deshalb, weil er nicht mehr nach alter Tradition in seinem Dorf lebt, sondern sich dem Tourismus verschrieben hat. Auf Tony mussten wir „ewig“ warten und wurden wieder angequatscht. Im Nachhinein weiß ich, dass das reine Neugierde und auch teilweise Freundlichkeit war, aber am ersten Tag fühlten wir uns doch noch unsicher.
Weiter ging es in ein wirklich miserables Dörfchen inmitten von Schmutz und Dreck. Kaum waren wir ausgestiegen, wurden wir umringt. Wir sollten eine angebliche Schule unterstützen. Tony führte uns sicher zu einer Blechhütte, in deren Hinterhof ein dunkles Zimmer eine Frau und ihre Tochter beherbergte. Ein düsteres Loch, jedoch zumindest mit einigen Möbeln eingerichtet. Auf einem Sofa lag eine kranke Frau. Es ging ihr sichtlich schlecht. Ich kam mir voyeuristisch vor, doch wir sollten alle zusammen für sie beten. Die Konfrontation mit diesem Elend, diesem Leben jenseits der Armutsgrenze gleich am ersten Tag war hart, hat mir aber auch die Augen geöffnet für das, was Kenya eben auch ist: ein Entwicklungsland, das unserer Hilfe dringend bedarf.
Gleich am ersten Abend sangen uns einige Christen aus der Gemeinde Majengo ein Begrüßungslied. Danach gab es eine gemeinsame Andacht. Wir lernten Rubina kennen. Sie ist engagierte Christin und gleichzeitig Geschäftsfrau. Sie organisierte unseren Transport mit zwei Nissan-Safari-Kleinbussen überall hin und fuhr auch selbst. Außerdem fungierte sie als Dolmetscherin zwischen Englisch und Suaheli. Eine bemerkenswerte und sehr sympathische Frau!
Auch an die Hitze hatte ich mich nach einem Tag gewöhnt. Man schwitzt einfach immer – schon morgens um 6 geht es los und hört auch beim Ins-Bett-gehen nicht auf. Das gehört eben dazu wie der ?Mombasa Express?, der Durchfall, der alle wegen der großen Hitze ereilte. Aber halb so schlimm.
Auf unserer dreitägigen Safari, die uns in die Nationalparks Tsavo East und Tsavo West führte, fuhren wir über endlos rote Erde, Affenbrotbäume und Termitenhügel am Straßenrand, Schlaglöcher ohne Ende auf den Pisten durch Afrikas sengende Sonne. Die Fotoapparate waren natürlich gezückt. Doch ohne unseren Führer Steven hätten wir nicht alle Tiere entdecken können. Da gab es Zebras, die auf roter Erde standen und an einem Wasserloch tranken, einen Gepard, der faul in der Sonne lag, Affen, die von Ast zu Ast sprangen, eine Herde Elefanten, badende Elefanten in einem Fluss, stolze Giraffen, die von den hohen Bäumen Blätter abrupften, in der Ferne ein dösender Löwe. Wir übernachteten in zwei Lodges mitten in den Nationalparks. Sie wurden beide 1963 gebaut und strahlten daher noch einen Hauch von Abenteurern, Großwildjägern und „Hatari“ (= Gefahr) aus. In der Nähe graste ein einsamer Elefantenbulle, nachts wurde ein Gepard mit einem Stück Fleisch an die Lodge gelockt. Überall Eidechsen in den buntesten Farben und Murmeltier ähnliche Tiere, die man füttern konnte und natürlich auch unbekannte Krabbeltiere und Mücken.
Bevor wir die Voi Lodge in Tsawo East wieder verlassen mussten, schaute ich noch einmal vom Aussichtspunkt über die Weite der Steppe. Aber in Afrika ist man nie lange allein. Schon kam ein junger Wächter zu mir und zeigte mir Nashörner in der Ferne. Er freute sich wie ein Kind, dass er mir sie zeigen konnte. Später versammelte sich ein Teil unserer Gruppe um ihn – und er erzählte und zeigte und steckte uns an mit seinem Lachen. Später machten alle noch Erinnerungsfotos. Für sein Bemühen verlangte er weder Geld noch Dank. Er freute sich, dass wir uns freuten. So einfach ist das manchmal.
Nach drei Tagen im Tsavo Nationalpark mussten erst einmal die Kleinbusse gewaschen werden. Das geschah in einem Straßendorf nicht weit vom Tsavo East, das von Autowerkstätten gesäumt war. Überall türmten sich die Autoreifen. Wer nichts zu tun hatte, legte sich in die Reifen und machte ein Nickerchen. Kenyaner sind wahre Meister im Autoreparieren. Auch mit primitiven Mitteln bekommen sie die älteste Karre wieder zum Laufen. Für umgerechnet drei Euro wuschen drei Männer eine Stunde lang die Autos.
Während wir warteten, hörte ich von weitem fröhliches Singen. Und siehe da: eine Pfingstlergemeinde hielt gerade in einer großen offenen Halle ein Seminar ab. Wir gesellten uns zu den Christen und sangen mit. Trotz übersteuerter Lautsprecher war es ein schöner Gesang – voller Freude und Hingabe. Draußen spielten die Kinder mit Autoreifen und bettelten uns um Kugelschreiber an. Leider hatte ich meine bis auf einen schon weggegeben. Ein Junge namens James tauschte einen Kugelschreiber gegen ein süßes Foto.
Neugierig sind die Afrikaner. Sie zeigen echtes Interesse: woher man komme, wie man heiße, ob man Familie habe und wie viele Kinder? Ob man was zu Verschenken hätte natürlich. Ein Mann war ganz besonders dreist. Er fragte tatsächlich, ob ich ihm meine Kamera schenken könnte. Die Kenyaner glauben, wir seien alle Millionäre – und aus ihrer Sicht sind wir das ja auch.
Ganz spontan entschied sich Tony Esch zu einem Halt in einem nahe gelegenen Masai-Dorf. Das war für mich einer der Höhepunkte der Reise. Leider ging alles viel zu schnell, gern wäre ich noch länger dort geblieben. Ich fotografierte wie ein Weltmeister – zwei Filme in einer halben Stunde.
Die Masai müssen seit letztem Jahr ihre Kinder zur Schule schicken. Da diese Schulgeld kostet, finanzieren sie sie durch Führung durch ihr Runddorf. Primitiv aber scheinbar mit ihrem Leben im Einlang lebt dies stolze Volk. Ihre Häuser sind aus Lehm und Kuhdung gebaut. Ihre Kühe und Ziegen treiben sie nachts in eine mit Dornengestrüpp geschützten Pferch. In den Hütten befinden sich kaum Fenster – es ist stockdunkel drinnen.
Freundlich begrüßten uns die Masai – ganz besonders die Kinder. Sie posierten gern für die Fotos ? sogar ein Masai-Baby sollte ich unbedingt auf den Arm nehmen. Stolze Frauen mit ihren Babys, stolze Krieger, die uns einen Fruchtbarkeitstanz vorführten ? natürlich in den traditionellen Frisuren und den langen Gewändern. Ein paar Hühner, die Kinder spielten mit Stöcken und einer einsamen Plastikflasche ? mehr Spielzeug gab es nicht. Trotzdem wirkten die Kinder glücklich. Den Umständen entsprechend wirkte alles recht gepflegt- sieht man von der roten Erde ab, die überall an den schwarzen, langen Beinen klebte.
Tony stimmte spontan ein christliches Lied mit den Kindern an. Schnell versammelte sich eine ganze Gruppe und sang mit. Nachher hatte es unser Masai-Führer eilig, uns ?los? zu werden, denn die nächste Gruppe wartete schon – Tourismus im Masai-Dorf! Schade, ich konnte mich gar nicht trennen.
Die Hauptstraße Nairobi-Mombasa führte uns wieder zurück. Doch welch ein unvorstellbarer Staub. Eine Baustelle verursachte einen Stau. Staubwolken, armselige Verkaufsstände aus Blech, Frauen mit Lasten auf dem Kopf gingen an der staubig-schmutzigen Straße entlang. Stinkende Laster blockierten die Fahrbahn. Und in all dem Chaos sichtete ich auf den Sandbergen neben der Baustelle kleine Kinder, die ganz allein an der gefährlichen Straße spielten oder einfach nur dem Verkehr zusahen. Dahinter türmte sich kurz vor Mombasa eine Müllhalde, in der arme Menschen nach etwas Ess- und Brauchbarem suchten. Die Slums von Mombasa, die wir nur streiften, müssen furchtbar sein. Menschenunwürdig und grausam.
Welch ein Kontrast: im Hotel war alles ruhig und friedlich, die Palmen wehten sanft im Wind, das Personal las einem jeden Wunsch von den Lippen ab. Mit einer Andacht endete dieser unvergessliche Safari-Tag.
Am nächsten Morgen ging es jedoch gleich weiter. Wir fuhren gemeinsam zu einem Gottesdienst in die Gemeinde Majengo ? etwas 25 Kilometer von Mombasa entfernt. Majengo ist ein kleines Dorf mit unbefestigten Straßen, Lehm- oder Blechhütten. Die Häuser sind umgeben von Grün. Eine Idylle im Vergleich zu den Slums von Mombasa, obwohl die Menschen auch hier am Existenzlimit leben.
Das Gemeindehaus in Majengo ist einfach gebaut aber geräumig. Man sitzt auf einfachen Holzbänken. Das Kreuz ist auf die Wand gemalt. Die 200 Gemeindemitglieder begrüßten uns herzlich und ein wenig schüchtern. Lauter Weiße, die andauernd fotografieren! Zu Anfang des Gottesdienstes trugen die Kinder lange Lieder vor ?alle hübsch angezogen in ihrem blauen Sonntagsstaat. Singen können die Afrikaner! Lang und intensiv! Uns lief schon der Schweiß, zumal direkt hinter den glaslosen Fenstern eine richtige afrikanische Mama in einem riesigen Topf ?Ugali? (Maisbrei) für die ganze Gemeinde auf dem Feuer zubereitete und der Rauch direkt ins Haus zog. Doch auch die Frauen wollten uns noch einige Lieder vorsingen. Anschließend predigte Pastor Esch auf Suaheli.
Dann strömten alle, die Kinder voran und im Gänsemarsch, aus dem Gebäude, um den von Erika (eine sehr liebe 80-jährige Teilnehmerin aus Halsenbach) und ihren Freunden gespendeten Brunnen einzuweihen. Die Männer kurbelten ? und schon konnte Tony den ersten Schluck Brunnenwasser zu sich nehmen. Er segnete den Brunnen, während alle um ihn herumstanden. Ein wunderschönes Bild: die Kleinsten ganz in Blau, die Erwachsenen in bunten Kleidern und Tüchern, die Babys auf dem Arm rundherum, dazu ein wunderbarer blauer Himmel.
Leider konnten wir auch hier nicht ewig bleiben. Doch wir fuhren nicht, ohne an alle Kinder Bonbons verteilt zu haben ? eine schwierige Aufgabe, da jeder der erste sein wollte.
Am nächsten Tag fuhren wir durch Mombasa und mit der berühmten Lakoni-Fähre zu Kenyas Südküste. Auf der Fähre hat sich die bekannte Schweizerin Corinne Hofmann in den Masai Letinga verliebt. Masai haben wir allerdings dort nicht getroffen ? statt dessen eilige Menschen, die mit der Fähre zur Arbeit in die Stadt wollten. Überall Handkarren, schwer beladen mit Säcken, Frauen mit Lasten, aber auch Geschäftsmänner mit Anzug und Aktentasche ? ein buntes Gemisch. Und wir mitten drin. Neben uns hielt ein Kühltransporter. Oben auf dem Container saß ein schwarzer Rabe, auf dem Wagen stand groß ?meat?, und überall tropfte das Blut heraus. Sehr appetitlich!
An der Südküste fuhren wir bis zu Kenyas schönsten Strand Diani Beach. Und er ist wirklich so schön wie eine Kitschpostkarte: Palmen direkt am Strand, weißer Sand, kein Mensch weit und breit außer ein paar spielender Kinder, türkisblauer Ozean, der allerdings nur lauwarm war und uns nicht erfrischte. Anschließend besuchten wir die christlich geführte Ferienanlage ?Word of Life? ? ei parkartiges Idyll direkt am Ozean. Etwas enttäuscht waren wir vom eher vernachlässigten Zustand der Anlage. Gerade waren keine Kinder vor Ort, nur zum Mittagessen verköstigt die Köchin hier 250 Schüler. Doch es waren keine Ferien und das Haus wirkte verwaist. Im Kiosk gab es nur verschimmelte Ware. Ich fragte mich, was das Personal wohl täglich hier außerhalb der Ferien zu tun hat. Ein Zivi aus Deutschland vertrieb sich seine Zeit mit Gartenarbeit und Reparaturen.
Doch das Gelände war überwältigend mit blühende Bougenvilia, Palmen und schattigen Plätzchen.
Ein weiterer Tag war dem Riziki-Waisenhauses in Takanuunga gewidmet. Der Besuch hat mich beeindruckt. Die einfache aber durchaus gepflegte Anlage machte auf mich einen sehr positiven Eindruck. Rund 80 Waisenkinder, davon die meisten Aidswaisen, haben hier ein neues Zuhause gefunden und werden sehr streng und diszipliniert, aber wohl auch sehr liebevoll betreut. Das Haus ist unter kanadischer Führung. Alles schien trotz der einfachen Mittel gut zu funktionieren. Die Küche schien einfach, aber sauber. Draußen wird auch noch auf dem Feuer gekocht. Es gibt nur eine defekte Waschmaschine für 80 Portionen Kinderwäsche täglich. Da muss jeder mit anpacken ? und nicht nur die Mädchen.
Die älteren Jungen lernen hier ganz automatisch, dass Männer auch in Haushalt und bei den Kindern mit anpacken müssen. Denn auch heute arbeitet die Frau hart auf dem Feld, versorgt Haushalt und Kinder, während viele Männer keine Arbeit haben und tatenlos vor ihrer Hütte sitzen. Gesehen habe ich solche Bilder auf der Fahrt zum Waisenhaus mehrfach.
Im Riziki-Waisenhaus passen auch die älteren Jungen auf die Babys auf. Jeder hat hier seine Aufgabe, denn auch das riesige Gelände muss allein bewirtschaftet werden. So sehr verwöhnt werden die Kinder jedoch nicht, denn sonst wollen alle Kinder aus der Umgebung auch ins Waisenhaus. Vielen Kindern kann auch eine weiterführende Schulbildung gewährt werden. Die Kleinsten lagen zum Mittagschlaf auf Bastmatten auf dem Boden. Die Aufseherin hatte einen Stock dabei. Und ich habe genau gesehen, dass sie ein Kind, das sich bewegte (!), kurz mit dem Stock anstupste. Was für Methoden! Doch trotz dieser Szene bleibt mir die Anlage sehr positiv in Erinnerung. Ein unterstützenswertes Projekt. Dringend wird ein Brunnen für frisches Trinkwasser vor Ort benötigt. Auch hier wurden wir mit Kindergesang begrüßt. Alle gaben sich viel Mühe, um auch eine guten Eindruck zu hinterlassen. Schließlich wird das Haus durch die Missionshilfe Afrika unterstützt. Tony hatte auch einen Scheck dabei.
Eine alte Krankenschwester hatte es mir angetan. Sie unterhält eine primitive Krankenstation auf dem Gelände. Sie erzählte, dass sie schon viele Aidsinfizierte behandelt und auch mit jugendlichen Straßenkindern gearbeitet hat. Eine tolle Frau, die ihr Leben ganz Kenyas Menschen verschrieben hat. Leider blieb mal wieder zu wenig Zeit für ein Foto und ein intensiveres Gespräch.
Mombasa ? auch dort gab es viel zu sehen. In der Altstadt kommt man sich vor wie auf einem moslemischen Bazar. Ich fühlte mich daher nicht ganz so wohl in meiner Haut. Die kleine Notkamera dicht an mich gepresst, schob ich mich durch die Menschenmassen. Hier ein Schuhputzer, da ein Teehändler, hier bunte Kangas, dort ein Salatkopf und ein paar Bananen. Hier wird nahezu alles angeboten für den täglichen Bedarf ? in Mini-Ständen, kleinen Behausungen oder auf offener Straße. Da in diesem Teil Mombasas hauptsächlcih Moslems wohnen, war das Treiben auch vorwiegend orientalisch angehaucht. Die Frauen mit den Kopftüchern ließen sich partout nicht fotografieren. Hier war Vorsicht geboten! Ein kleiner Lebensmittelmarkt bot alle Gewürze und Früchte, die man ich nur denken kann von der Passionsfrucht über Papaya und kleine süßen Bananen.
Mitten in diesem Trubel befindet sich ein großes, altmodisches Kino. In ihm versammeln sich zur Mittagszeit täglich hunderte von Christen zum gemeinsamen Lobpreis. Auf der Bühnen sang eine Frau sich in Ekstase- und die Menschen sangen mit. Ein Prediger hielt eine kleine Ansprache. Wirklich bewegend, wie viele Menschen in ihrer Mittagspause dieses Angebot nutzen.
Natürlich haben wir auch die berühmten Elefantenzähne auf der Moi-Avenue gesehen, doch war man zumeist durch den wirren Verkehr ganz ohne Ampeln (Ich habe eine in ganz Mombasa gesehen) abgelenkt. Ein wildes Gehupe, jeder fährt hier halt so, wie es passt- und einen Unfall habe ich nicht gesehen.
Auf dem Rückweg zum Hotel kamen wir an einem stinkendem Viertel vorbei. Hier roch es penetrant. Nach dem Regen waren die Nebenstraßen, wenn man überhaupt davon sprechen kann, aufgeweicht. Im Matsch lagen faulende Schalen – ein Bananen-Umschlagplatz. Deshalb stank es hier so verfault! In dem Matsch bewegten sich unbeirrt Hunderte von Menschen auf dem Weg zu Ver-und Einkauf. Auf dem Weg sahen wir viele Hinweisschilder zu diversen christlichen Kirchen. Auf einem freien Platz predigte lautstark ein Prediger.
Kaum waren wir aus der Innenstadt heraus, befanden wir uns auch schon in Mtamba. Dort arbeiten Holzschnitzer in kleinen Hütten. Hautnah konnten wir erleben, wie Elefanten, Zebras und Löwen entstanden ? alles echte Handarbeit und zu einem Spottpreis zu haben. Wie können diese Männer davon leben? Alle lächelten und ließen sich fotografieren.
Am Abend erzählte uns ein junger Bibelschüler davon, wie er zum Glauben gekommen ist. Eine übliche Anrede ist hier ?Nakupenda Yesu?? ?Liebst du Jesus? Während der Freizeit predigten mehrere Pastoren aus den Gemeinden, die Tony Esch und sein Missionsverein betreuen. Sie kamen oft zu Fuß oder mussten sich das Geld für das Matatu (völlig überfülltes Kleinbus-Taxi in bedenklichem Zustand) zusammensparen. Deshalb spendeten wir gern für diese armen Pastoren, die hier genau wie alle in einfachsten Behausungen leben und meist viele Kinder zu versorgen haben. Sie verdienen einen Hungerlohn.
Unseren letzten Gottesdienst verlebten wir in einer Mini-Gemeinde. Mini deshalb, weil ich im Busch nur vier oder fünf Lehmhütten erspähen konnte. In die Mini-Kirche waren fast nur Kinder gekommen. Sie sangen mit Inbrunst. Ich staunte: alle waren so unbeschwert fröhlich. Wir schwitzten, hielten aber natürlich tapfer durch. Ab und zu stach mich irgendein Viech an den Knöcheln. Macht nichts ? ich habe ja meine Malaria-Prophylaxe. Die Kinder waren einfach zu schön anzuschauen. Hier waren sie alle lange nicht so gut versorgt und gekleidet wie in Majengo. Oft barfuss und die Kleider und Hemden zerlöchert. Aber singen konnten sie und tanzen! Der Pastor war eine herbe Enttäuschung ? auch für den armen Tony, der sich mehr erhofft hatte. Selbst wir merkten, dass der Pastor (der eigentlich keiner war) kaum einen vernünftigen Satz herausbrachte und mit der Situation gänzlich überfordert war. Tony rettete die Situation. Er predigte auf Englisch, unsere liebe Rubina übersetzte auf Suaheli. Er erzählte lebendig und auch für die Kinder verständlich. Alle hingen an seine Lippen. Da müsse ein neuer Pastor her, sagte Tony. Möglichst ein junger von der Bibelschule, sonst gehe die Gemeinde zugrunde. Vor der Kirche ging wieder das Gerangel um die Bonbons los. Hätte ich bloß noch viel mehr Kugelschreiber, T-Shirts, Bonbons und anderes mitgebracht.
Welch krasser Gegensatz der moderne Supermarkt, der streng bewacht wird und wo nur die reichen Kenyaner (die es natürlich auch gibt) und die Weißen aus ihren abgeschirmten Gebieten einkaufen können. Hier gibt es alles, was man braucht ? auch Waren aus Europa und Amerika und sogar ein Internet-Café und einen großen Buchshop. Vor dem Supermarkt-Gelände hielten ununterbrochen diese rasanten Matatus- es wurde in Windeseile ein- und ausgestiegen. 50 Schilling kostet so eine Fahrt. Bis zu 19 Personen quetschen sich oft hinein, obwohl neuerdings nur 7 erlaubt sind. Macht nichts. Mir kam es so vor, als wären Dreiviertel aller Autos in Mombasa Matatus ? und ich habe da wohl nicht ganz Unrecht.
Auch wir fuhren zu zweit mit so einem Matatu in Mombasas Innenstadt. Allein hätte ich mich nicht ins moslemische Viertel getraut. Doch so fühlte ich mich sicher. Im Matatu würdigte uns keiner eines Blickes. Wir saßen wie die Ölsardinen. Vielleicht wollte keiner feilschen, weil sie merkten, dass wir den Preis kannten?
Wieder schlenderten wir durch Mombasas Altstadt. An eine Moschee war aber beim besten Willen nicht heranzukommen – alles hermetisch abgeriegelt. Gewürze und Tee ? schließlich kauften wir doch was, obwohl wir gar nichts haben wollten. Ein Mann führte uns durch eine enge Gasse, in der es Souvenirs gab. Hinterher wollte er natürlich dafür belohnt werden. Na ja, was tat man nicht alles: allein hätten wir die versteckte Gasse ja tatsächlich nicht gefunden?Von einer Dachterrasse eines dubiosen Hotels hatten wir einen weiten Blick über die Dächer der Stadt.
In Kenya wird es im April um 18 Uhr dunkel. Innerhalb einer halben Stunde ist es stockdunkel ? und wir machten uns schnell auf den Rückweg. Mit einem ?TukTuk? (kleines dreirädriges Vehikel) fuhren wir für nur vier Euro durch die ganze Stadt. Das machte richtig Spaß, zumal der Fahrtwind uns luftig umwehte.
Eine Tagestour führte uns zur Insel Wasini-Island, die der Südküste Kenyas vorgelagert ist. Wieder ging es mit der Lakoni-Fähre an die Südküste, anschließend 30 Kilometer in Richtung Süden. Hier kamen wir auch an der Stelle vorbei, wo Missionar Krapf das erste Mal seinen Fuß auf die rote Erde Afrika setzte. Wir sahen auch ein Haus im Kolonialstil in einem kleinen Dörfchen direkt am Wasser, in dem einst die Sklaven untergebracht wurden, bevor sie weiterverkauft wurden. Ein gruseliger Ort.
Mit einer arabischen Dau schipperten wir über den Indischen Ozean. Leider ohne Segel, denn es war absolut windstill und brütend heiß. Zum Schnorcheln hielten wir auf dem offenen Meer an. Von wegen Sicherheitsleine oder Aufsicht. Hier schwamm jeder munter drauf los ? in Deutschland schier undenkbar. Ich hielt mich immer in der Nähe von einigen aus der Gruppe. Viele Fische habe ich leider nicht sehen können. Dafür aber auf der Fahrt zur Insel einige Delfine, die unserem Boot folgten. Wir erreichten die Insel in sengender Mittagshitze. Und jetzt noch was essen! Unser ?Menu? war in einem dubiosen Fisch-?Restaurant? vorbestellt. Auf Holzbrettern gab es Hummer und diverse Saucen, merkwürdigen Reis und allerlei undefinierbare Zutaten. Aber wir haben uns nicht vergiftet, wenn auch die ?Kellner? arg schmierig aussahen ? und erst die Klos! Das muss man einfach mal erlebt haben! Gern hätte ich noch einen Inselrundgang gemacht. Schließlich ist das Mini-Eiland nur von Moslems bevölkert, doch die anderen wollten vor der Mittagshitze flüchten. Schade, ich komme hier doch sicher nie wieder her?
Am letzten Tag wollten die meisten Teilnehmer am Pool bleiben. Doch drei Mutige überwanden sich und fuhren mit Tony in ein Freilicht-Museumsdorf. Dort führte uns der Student Samson durch das Gelände. Hier erfuhr man alles über die verschiedenen Stämme Kenyas. Eine Hütte war jeweils aufgebaut ? und auch ein ?Stammesmitglied? zeigte, wie man kocht, lebt und arbeitet. Noch heute leben viele Völker Kenyas genau so in primitiven Lehmhütten mit offener Feuerstelle und schlafen auf Matten auf dem Boden ? jedenfalls in den abgelegeneren Gegenden. Zum Schluss sollte Tony, den hier anscheinend fast jeder kennt, noch mit dem Personal beten.
Unseren letzten Abend verbrachten wir auf einer Dau im Örtchen Mtwapa ? völlig abgeriegelt von de Außenwelt. Eher englischer Stil. Man bekam nur nach Kontrollen Einlass. Doch der Abend war schön ? ein herrlicher Sonnenuntergang ließ uns den Abschied schwer werden.
14 Tage können sehr kurz sein, wenn man so viel erlebt, so viele neue Eindrücke speichern muss. Ich hätte gern noch viel mehr gesehen, noch mehr Kontakt zu den Kenyanern gehabt. Aber mehr als wir gesehen haben, konnte man in der kurzen Zeit gar nicht erleben. Doch ich weiß, dass ich wiederkommen werde, wiederkommen muss, um diese faszinierende Land und seine liebenswerten Menschen noch besser kennen zu lernen.
Mein ganz besonderer Dank gilt Pastor Tony Esch, der uns mit seiner Fürsorge und seinem Wissen reich beschenkt hat. Ich danke Gott, dass er Tony nach Kenya ausgesendet hat. Er hat dort so vieles bewirkt ? und tut es immer noch. Er verdient unsere Unterstützung.
Kwaheri Kenya – auf Wiedersehen Kenya! Bis dahin ziehen meine Träume nach Süden. Ich denke täglich an Afrika.
Frauke Schlüter